Ad Fontes: Die Turnierserie kehrte heim! – Einblicke in die ZEIT DEBATTE Tübingen 2010
“Danke, dass du OPD erfunden hast!”, verabschiedete sich ein Stuttgarter Debattant am vergangenen Sonntag nach der ZEIT DEBATTE in Tübingen von Michael Hoppmann, dem Godfather des deutschsprachigen Debattierens. Unter dem Motto “Nur die Vernunft lehrt schweigen. Das Herz lehrt reden.” hatte am Wochenende die Streitkultur Tübingen zum Debattierturnier an den Neckar geladen: Knapp 100 Redner aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gaben sich hier ein Stelldichein, ja, gar aus Bozen und Boston reisten Debattanten an, um bei der ZEIT DEBATTE in Tübingen dabei zu sein. “Die Turnierserie kehrt heim” schreiben die Organisatoren von der Streitkultur auf ihre Homepage, denn die allererste ZEIT DEBATTE fand vor über acht Jahren hier statt.
Debattiert wurde an der Geburtsstätte des deutschsprachigen Debattierens natürlich im Format der Offenen Parlamentarischen Debatte (OPD), das Hoppmann, der als Juror eigens aus Boston (USA) angereist war, hier entwickelt hatte. Dafür erntete er nun in Tübingen viel Ehrfurcht von jungen Rednern. Eine Debattantin, die am Nachmittag in Unkenntnis seiner Person noch flapsig mit ihm über seinen Einsatz als Springer für eine verspätete Rednerin gescherzt hatte, gestand ihm am Abend bei einem Bier: “Hätte ich gewusst, wer du bist, hätte ich mich gebührender verhalten.”
Die Tübinger Streitkultur ist bekannt für ihre Turniergarantien, mit denen sie auf ihrer Turnierhomepage wirbt: “Viel Kaffee und köstliches Essen, ein unterhaltsames Rahmenprogramm, reibungsloser Turnierablauf, Liebe und Leidenschaft aller Helfer und Organisatoren und das traditionelle Freibier ohne Ende!” Alles traf ein wie versprochen – nur auf eines haben weder der älteste Debattierclub Deutschlands noch der Erfinder der OPD Einfluss: auf das Wetter! So mussten die Raucher in den Pausen im ständigen Nieselregen bibbern und auch bei der traditionellen Stocherkahnfahrt auf dem Neckar wollte sich die Maisonne nicht blicken lassen. Doch den fehlenden Sonnenschein machten die Organisatorinnen Anna Mattes und Sarah John und alle Helfer mit ihrem Lächeln wett, das Freibier tat ein Übriges.
Zum Warmwerden gab es am Freitagabend ein studentisches Thema: “Brauchen wir für Studenten die verpflichtende Teilnahme an europäischen Austauschprogrammen?” In neun Räumen, die nach den olympischen Musen etwa Euterpe oder Polyhymnia hießen, debattierten die Rednerinnen und Redner um eine besonders gute Ausgangsposition für den weiteren Verlauf des Turniers – die erhitzten Gemüter durften sich dann bei einer Kneipentour wieder abkühlen. So fanden sich am späten Abend kleine Grüppchen zusammen, man hatte sich ja viel zu erzählen seit der letzten ZEIT DEBATTE in Wien und freute sich über alte und neue Bekannte.
Am Samstagmorgen ging es zeitig los, schon um acht Uhr blies Peter Croonenbroeck zum Abmarsch, um die Debattanten pünktlich von der Jugendherberge am Neckar in den Brechtbau zu geleiten. Einige saßen da noch murrend beim Frühstück, doch den garantierten Turnierablauf konnten auch sie nicht durcheinander bringen. Nach der zweiten Debatte des Turniers (Thema: “Sollen Staatsanwaltschaften Ermittlungsaufträge künftig an private Unternehmen abgeben dürfen?”) war genug Zeitpuffer eingeplant, um gemütlich zur Mensa “Prinz Karl” zu bummeln. Nach dem Mittagessen – Cordon bleu, das nach wienerischem wie nach fränkischem Verständnis keiner Soße bedarf und schon gar nicht darin ertränkt werden muss – blieb noch Zeit für einen Kaffee und einen Spaziergang durch die pittoreske Tübinger Altstadt.
Die nächste Vorrunde war bereits eine “geschlossene Runde” – die Redner erfuhren nach der Debatte zum Thema “Brauchen wir eine Impfpflicht?” ihre Team- und Rednerpunkte nicht, um die Spannung aufrecht zu erhalten. Die ersten holten sich nun schon Bier aus dem Kühlschrank und fachsimpelten und spekulierten: Reicht es für den Break ins Viertelfinale? – Für viele reichte es, für andere leider nicht. In der letzten Debatte des Tages wurde nun mit harten Bandagen zum Thema “Sollte eine Steuer auf Unkultur in den Medien erhoben werden?” gestritten – denn nun ging es um den Einzug ins Halbfinale. Wer sich in der Debatte nicht behaupten konnte, flog raus.
Doch die Spannung mussten die Redner noch aushalten. Die Organisatoren erinnerten noch einmal an die “Saalwette”: Bei der Anreise hatte jeder Teilnehmer einen Beutel mit Turnierutensilien erhalten, darunter eine halbe Spielkarte mit einem halben Spruch darauf. Anhand der Karte sollte nun jeder sein Pendant finden, den Spruch zusammensetzen und den Organisatoren weitergeben. So würden mindestens dreißig rhetorische Weisheiten zusammenkommen. Der Wetteinsatz für die Chefjuroren Andrea Gau, Pauline Leopold, Mario Dießner und Tim Richter: Sie müssen eine Stunde jeweils zu zweit aneinander gefesselt auf der abendlichen Party miteinander tanzen. Das ließen sich die Teilnehmer nicht zweimal sagen und hatten schon am Freitagabend mit der Paarfindung begonnen.
Das Abendessen im feierlichen Festsaal des Restaurant Museum wartete mit schwäbischen Spezialitäten auf: Maultaschen und Käsespätzle. So gestärkt, freuten sich jetzt Teams aus Berlin, Mainz und München über den mit Spannung erwarteten Break ins Halbfinale.
Anschließend ging es weiter ins Fichtehaus, einem anthroposophischen Studentenwohnheim, wo die Debattanten zu Musik, Bier, Wein und Tequila ausgelassen feierten – die einen ihren Sieg, die anderen, weil sie am nächsten Morgen ohnehin nur noch Zuschauer waren. Hier mussten die Chefjuroren nun also ihren Wetteinsatz einlösen, was sie so tapfer taten, dass man bereits nach zwanzig Minuten ein Einsehen mit ihnen hatte und die Fesseln wieder löste. Die letzten Feierwütigen hinterließen am frühen Sonntagmorgen noch eine Nachricht unter der vereinbarten Nummer – und so gewannen Sascha Schenkenberger, Alwin Gerner und Nathalie Wieseotte vom Team Mainz Connie den ehrenvollen Titel des “last team standing”. Den Preis als “last adjudicator standing” erhielt das vielleicht noch feierfreudigere Duo aus Helen Leutloff und Tabmaster Oliver Hörtensteiner.
Zum Halbfinale bat die Streitkultur am Sonntagmorgen ins historische Rathaus. Hier stritten die Teams aus Berlin, Mainz und München zum Thema “Sollen die Mitgliedstaaten ihren Haushalt durch die EU genehmigen lassen müssen?” um den Einzug ins Finale. Durchgesetzt haben sich schließlich die Berliner Dessislava Kirova, Juliane Mendelsohn und Filip Bubenheimer sowie die Mainzer Sarah Kempf, Marcus Ewald und Max Fritz. Den Teamsieg im Finale zum Thema “Soll in Deutschland die vollständige Körperverhüllung verboten werden?” errangen die Berliner, doch holte Marcus Ewald gleich zwei Titel nach Mainz: Er wurde Publikumsliebling und erhielt den Preis der Ehrenjury.
Fröhlich und erschöpft von hitzigen Debatten und der Party ließen am Sonntagnachmittag die Rednerteams aus Bayreuth, Berlin, Bonn, Dortmund, Dresden, Frankfurt, Freiburg, Heidelberg, Leipzig, Magdeburg, Mainz, Marburg, München, Münster, Potsdam, Stuttgart, Tübingen und Wien sowie die Juroren aus eben diesen Städten sowie Bochum, Boston, Bozen und woher auch immer sie alle kamen die schöne Stadt am Neckar hinter sich und machten sich auf die Heimreise. Vielen Dank, Streitkultur, für ein tolles Debattenwochenende und danke noch einmal, Michael Hoppmann, “dass du OPD erfunden hast!”
Text: Anja Pfeffermann, DCGF Frankfurt / DC Bayreuth
Bilder: Daniel Rau, Streitkultur Tübingen
Danke Anja für den tollen Bericht! Mensch, ich bin ja echt ne Rampensau, überall auf den Fotos …
Vielen Dank für den netten Bericht Anja! Und auch von mir DANKE an Hoppi 😉
Wenn ich den Stuttgarter erwische 😉
Spaß bei Seite: es war ein wunderschönes Turnier! Danke an Tübingen, danke an alle einzelnen Helfer (Sarah, Peter, Nikolas, Philipp, Anna, Lorena, Michael, Iris und noch viele mehr…).
Wir kommen immer wieder gerne.
Ich finde toll, dass ihr als routinierter Turnierausrichter immer wieder Neuerungen findet und eurer Stadt alle Ehre macht.
Michael
“Hätte ich gewusst, wer du bist, hätte ich mich gebührender verhalten.” tsts… Ich hoffe doch nicht!;-)